Biodiversität

  • Search24.10.2023

Diese Tiere und Pflanzen sind Klimahelden

Man nehme ein paar Hunderttausend Gnus, gebe Millionen von Mistkäfern hinzu, und schon hat man einen natürlichen CO2-Staubsauger: Fünf Arten, die auf faszinierende Weise das Klima schützen.

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    Von Volker Kühn

    Will die Welt klimaneutral werden, muss der Atmosphäre in großem Stil CO2 entzogen werden, sagt der Weltklimarat. Im Fokus stehen dazu häufig technologische Möglichkeiten wie CCS, das Speichern von CO2 unter dem Meeresboden. Unterschätzt wird dagegen oft das gewaltige Klimaschutzpotenzial der Natur. Manche Tier- und Pflanzenarten sind wahre Klimahelden, wie unser Streifzug durch Flora und Fauna zeigt.

    Seegras: Kohlenstoffwiese am Meeresgrund

    Der Star auf diesem Bild ist nicht die etwas divenhaft dreinblickende Grüne Meeresschildkröte. Es ist vielmehr das, worauf sie sich im warmen Wasser auf dem Grund des Roten Meers in Ägypten niedergelassen hat: das Seegras. Es kommt in seichtem Salzwasser rund um den Globus vor und dient einer Vielzahl von Tierarten als Nahrungslieferant und Versteck. Zudem festigen Seegraswiesen den Meeresboden und bremsen die Macht der Wellen, wodurch sie die Küste vor Sturmfluten schützen. Am Strand eingesammeltes Seegras dient überdies zur Produktion von Dämmstoffen und Matratzen.

    Zum natürlichen Superstar im Klimaschutz machen das Seegras allerdings zwei andere Eigenschaften: Es speichert bei der Photosynthese sehr viel effizienter CO2 als etwa tropische Regenwälder. Und es tut das oft auf Dauer. Denn während Bäume ihr CO2 größtenteils wieder in die Atmosphäre abgeben, wenn sie umstürzen und verrotten, bleibt das CO2 aus Seegras überwiegend im Meeresboden. Anders als im Wald gibt es im nahezu sauerstofffreien Sediment keine Mikroorganismen, die das Seegras zersetzen. Forschern zufolge speichern Seegraswiesen pro Quadratmeter 30- bis 50-mal mehr Kohlenstoff im Untergrund als vergleichbare, mit Wald bedeckte Ökosysteme an Land.

    Die Aufforstung von Seegraswiesen wäre daher ein starker Baustein im Klimaschutz, positive Nebenwirkungen inklusive: Die jeweiligen Küsten wären besser vor Sturmfluten geschützt, die Artenvielfalt im Meer würde aufblühen. Weltweit sind in den vergangenen Jahrzehnten mindestens 30 Prozent der Seegraswiesen verloren gegangen, unter anderem durch die Erwärmung der Meere und weil über Flüsse zu viel Dünger ins Wasser gelangt ist. Doch Forschungsinstitute wie das Geomar Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel arbeiten an Programmen zur Wiederansiedlung.

    Waldelefanten: Gärtner der Regenwälder

    Wer zweieinhalb Tonnen wiegt, zwei Meter misst und sich seinen Weg tagein, tagaus durch dichten Regenwald bahnen muss, dem kann man einen gesunden Appetit nicht verdenken. Afrikanische Waldelefanten sind entsprechend wenig wählerisch bei der Zusammenstellung ihrer Speisekarte. Blätter, Früchte, Rinde, ganze Sträucher oder gleich komplette Jungbäume verschwinden in ihren Mägen. Auf der Nahrungssuche schlagen sie ungerührt Schneisen der Verwüstung in den Dschungel. Und das ist für das Klima eine ziemlich gute Sache.

    Denn genauso wie Pflanzen im heimischen Garten besser wachsen, wenn man das Gebüsch ringsherum zurückschneidet, schießen auch Regenwaldbäume in die Höhe, wenn sie einen besseren Zugang zu Licht und Wasser haben. Auf diese Weise speichern die verbliebenen Bäume ein Mehrfaches des Kohlenstoffs in ihren Stämmen und Blättern, den die Vegetation ohne das gärtnerische Elefantenwerk aufnehmen könnte.

    Forscher gehen davon aus, dass rund sieben Prozent der Pflanzenmasse im Lebensraum der Waldelefanten verloren ginge, sollten die vom Aussterben bedrohten Tiere verschwinden. Auch die Biodiversität würde leiden, etwa weil die Tiere über ihre Ausscheidungen Pflanzensamen verteilen. Elefantenschutz ist daher Artenschutz und Klimaschutz in einem.

    Blauwale: Das Wunder aus dem Darm

    Was passiert, wenn man den größten Räuber eines Ökosystems fast ausrottet? Klarer Fall, werden viele sagen: Die Beute vermehrt sich. Doch der Blauwal zeigt, dass es so einfach nicht ist. Von den Hunderttausenden Exemplaren, die einst die Meere durchzogen, waren nach dem großen Abschlachten durch die globalen Walfangflotten in den Sechzigerjahren höchstens noch 3000 Tiere übrig. Zugleich allerdings nahm auch der Bestand an Krill ab: Krebstierchen, von denen Blauwale einst Millionen von Tonnen jährlich verspeist hatten.

    Den Grund fanden Forscher erst später heraus: Blauwale liefern mit ihren stark eisenhaltigen Ausscheidungen die Nährstoffgrundlage von Phytoplankton. Dabei handelt es sich um winzige Algen, von denen wiederum sich der Krill ernährt. Weniger Blauwale, weniger Phytoplankton, weniger Krill.

    Doch die Formel lässt sich auch umdrehen, und an dieser Stelle zeigt sich die Rolle des Blauwals als Klimaschützer. Denn seit dem Stopp des Walfangs 1986 wächst der Bestand von Blauwalen wieder, womit sie ihre Aufgabe als Düngerlieferanten für das Phytoplankton besser erfüllen können. Die Folge: Die Algen vermehren sich, ihre Photosyntheseleistung steigt und damit auch die Menge an CO2, die sie aufnehmen. Zudem speichern Blauwale auch selbst in ihren Körpern große Mengen Kohlenstoff ein. Sinken sie nach ihrem Tod auf den Meeresgrund, statt in einem Walfängerschiff zu landen, sickert es mit dem Waltran ins Sediment und bleibt dort. Das Ende der kommerziellen Waljagd und die Erholung der Bestände auf heute vielleicht 25.000 Tiere ist eine der ermutigendsten Geschichten im Artenschutz.

    Mangroven: Alleskönner am Saum der Meere

    Die Sonne brennt, das Wasser ist oft brackig, Ebbe und Flut zerren an Wurzeln und Blättern: Dass viele Pflanzen um den Lieblingslebensraum von Mangroven einen Bogen machen, ist leicht verständlich. Doch die Mangrovenwälder an den Küsten und Flussmündungen der Tropen und Subtropen kommen damit bestens zurecht. Sie bestehen aus einer Vielzahl salztoleranter Bäume und Sträucher, die gemeinsam ein faszinierendes Ökosystem bilden: Kinderstube von Fischen, Garnelen und Krebsen, Schutzwall gegen Sturmfluten, Nahrungs- und Einkommensquelle von Millionen Küstenbewohnern – und Bollwerk gegen den Klimawandel.

    Denn Mangroven sind besonders effiziente Kohlenstoffspeicher. In den Lebensräumen, die sie seit Jahrtausenden besiedeln, haben sich dicke Ablagerungen aus herabgefallenen Blättern und Pflanzenteilen gebildet. Sie verrotten extrem langsam, sodass der enthaltene Kohlenstoff der Atmosphäre über lange Zeit entzogen oder ganz im Boden bleibt. Auf derselben Grundfläche speichern Mangrovenwälder das Drei- bis Fünffache von Tropenwäldern an Land.

    Das Roden von Mangrovenwäldern macht sie allerdings vom Klimaschützer zum Klimakiller. Denn dabei wird der über Jahrtausende eingelagerte Kohlenstoff wieder frei, der sich mit Sauerstoff zu CO2 verbindet und die Erderwärmung befeuert. Dass in den vergangenen vier Jahrzehnten gut ein Drittel der globalen Mangrovenwälder verloren gegangen ist, hat entsprechend stark zum Klimawandel beigetragen.

    Gnus: Feuerwehr der Savanne

    Gnus sind nicht gerade die Tausendschöns unter den Antilopen. Wo Impalas mit anmutigem Fellmuster und grazil bewimperten Augen becircen, erinnern Gnus an archaische Fabelwesen von zweifelhaftem Charakter. Doch was zählen Äußerlichkeiten bei einem Tier, dessen Beitrag zum Klimaschutz in den Savannen Ostafrikas kaum zu überschätzen ist?

    Gnus arbeiten auf zweierlei Weise daran, der Atmosphäre CO2 zu entziehen. Zum einen halten sie das Gras und das Unterholz flach, wenn sie auf ihren Wanderungen zu Hunderttausenden durch Landschaften wie die Serengeti ziehen. Dadurch nehmen sie Buschfeuern den Brandbeschleuniger. Die Folge: Mehr CO2 bleibt im Boden und in Bäumen gespeichert. Wie groß dieser Effekt ist, zeigte sich, als die Gnubestände Mitte des 20. Jahrhunderts durch eingeschleppte Rinderkrankheiten auf rund 300.000 Tiere geschrumpft waren und sich die Fläche in der Feuersaison dramatisch ausdehnte. Heute ziehen wieder mehr als eine Million Gnus gemeinsam mit Zebras, Büffeln und anderen Huftieren durch die Savannen, und die Brandfläche schrumpft. Forscher haben sogar eine Formel dafür: 100.000 zusätzliche Gnus verringern die Fläche um zehn Prozent.

    Den zweiten Klimadienst verrichten Gnus über ihre Ausscheidungen, in denen das ursprünglich im Gras gespeicherte CO2 enthalten ist. Millionen von Mistkäfern verwandeln diesen Kot in kleine Murmeln, die sie zwecks Nahrungsbeschaffung für den Nachwuchs im Boden vergraben. So reichern sie das Erdreich mit CO2 an. Und je weniger Feuer ausbrechen, desto länger bleibt es dort.

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