Wiedervernässung von Mooren

  • Search27.04.2023

Ohne Moos kein Klimaschutz

Trockengelegt setzen Moore CO2 frei, intakt dagegen speichern sie große Mengen davon. Der Bund will daher Zehntausende Hektar Moor wiederherstellen. Eine komplexe Aufgabe, wie ein Besuch im frisch vernässten Grotmoor zeigt.

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    Moorlandschaft voller Torfmoose in Niedersachsen: Die Pflanzen speichern CO2 in großem Ausmaß.

    Torfmoose binden große Mengen CO2. Das macht sie für den Klimaschutz so wertvoll.

     

    Von Kathinka Burkhardt

    Mit beiden Händen greift Janis Ahrens in den dunklen Boden, hebt ihn hoch und drückt ihn zusammen. „Torf nimmt unheimlich viel Wasser auf, quasi wie ein Schwamm“, sagt er, als das trübe Nass durch seine Finger rinnt. Der Projektleiter der Stiftung Naturschutz Schleswig-Holstein steht in Gummistiefeln auf einem Erdwall und blickt über sein Werk: ein 73 Hektar großes Areal aus Torfwällen, Gräben, Gras- und Wasserflächen, das zwar den Namen Grotmoor trägt, aber erst wieder zu einem Moor werden muss. Denn vor 200 Jahren begannen Siedler, es zu entwässern, um die Flächen für Vieh und Ackerbau zu nutzen.

    Heute gehört das Grotmoor, eine halbe Autostunde nördlich von Hamburg gelegen, den Landesforsten Schleswig-Holstein. Gemeinsam mit der Stiftung Naturschutz wollen sie es über die nächsten Jahre in seinen Ursprungszustand versetzen, als Beitrag zum Klimaschutz. „Wenn das Moor wiederhergestellt ist, können wir hier jährlich bis zu 710 Tonnen CO2 binden“, sagt Ahrens.

    Deutschland hat kaum noch echte Moore. Doch für das Klima sind sie zentral

    Moore sind echte Klimaretter: Obwohl es in Deutschland nur noch 1,8 Millionen Hektar intakte Moorböden gibt, speichern sie etwa genauso viel Kohlenstoff wie alle deutschen Wälder zusammen. Das liegt an den Torfmoosen, die beim Wachsen CO2 binden. Ein Potenzial, dass die Politik nutzen will: Das Grotmoor ist nur eines von vielen Moorprojekten, die die Stiftung Naturschutz seit 1978 in Schleswig-Holstein begleitet. Bis 2030 soll sie weitere 20.000 Hektar entwässerte Moorböden neu vernässen, dann würde das Land 700.000 Tonnen CO2 pro Jahr einsparen. Das ist so viel, wie die Stadt Flensburg im selben Zeitraum freisetzt.

    Intakte Moore sind exzellente CO2-Speicher. Deshalb sollen die überwiegend trockengelegten Moore in Deutschland in großem Stil wiedervernässt werden. Infografik: Benedikt Grotjahn

    Doch aus altem Moor neues zu machen, ist nicht einfach. „Durch die Niederschläge der letzten Wochen steht schon jetzt reichlich Wasser in den Poldern“, sagt Ahrens. „Trotzdem ist nicht klar, ob uns die Wiedervernässung so gelingt, wie wir uns das vorstellen.“ Seit vergangenem August haben Bagger den Boden umgepflügt und von  Drainagerohren befreit. Danach haben Ahrens und sein Team Spundwände aus Holz eingezogen, 31 Grabstaue errichtet, sechs Kilometer Torfwall aufgeschüttet und kleine Amphibienhotels gebaut.

    Im Auge des Laien ist so schon ein Mooridyll entstanden. Aber Ahrens weiß, auf wen es hier tatsächlich ankommt. „Ich freue mich darauf, wenn die Vegetation zurückkommt und die Torfmoose die Wasserstellen erobern.“ Denn erst dann wird das Grotmoor zu einem wahren Langzeitspeicher für CO2.

    Moore sind eine komplexe Klimatechnologie – schwer zu planen

    Von solchen natürlichen CO2-Speichern wünscht sich die Bundesregierung mehr, weshalb sie ihren Klimaschutzplänen letztes Jahr eine Nationale Moorschutzstrategie hinzugefügt hat. Ein konkreter Maßnahmenkatalog und quantifizierbare Zielmarken fehlen allerdings noch. Doch das liegt nicht nur an der Politik, sondern auch daran, dass Moore eine viel komplexere Klimatechnologie sind als etwa die erneuerbaren Energien, weniger plan- und berechenbar.

    Gut bekannt ist hingegen, wie man ein Moor trockenlegt. Seit dem Mittelalter haben Menschen in den verschiedenen deutschen Kleinstaaten für Siedlungen, Straßen und Landwirtschaft ehemalige Moorböden entwässert oder zum Heizen Torf abgebaut. Heute sind 92 Prozent der deutschen Moorböden entwässert, vollkommen natürliche Moore gibt es nicht.

    In nassem Zustand schützen Moore das Klima. Trocken sind sie Klimakiller

    Das Problem dabei besteht nicht nur im Verlust wichtiger Biotope für seltene Arten, sondern auch darin, dass trockene Moorböden Klimakiller sind: Sobald Torfboden nicht nass, sondern dauerhaft der Luft ausgesetzt ist, beginnt ein Zersetzungsprozess, bei dem große Mengen gespeicherten Kohlenstoffs in Form von CO2 freigesetzt werden. Über Jahrzehnte schwindet der Torf Zentimeter um Zentimeter, die Böden sacken richtig ab, sodass sie auch landwirtschaftlich immer schwerer zu bearbeiten sind.

    Janis Ahrens ist Projektleiter der Stiftung Naturschutz Schleswig-Holstein. Im Grotmoor nördlich von Hamburg arbeitet er an der Wiedervernässung der Flächen.

    Drainagerohre wie dieses haben Projektleiter Janis Ahrens und sein Team reihenweise aus dem Grotmoor entfernt.

    Tag für Tag entweicht aus solchen trockengelegten Moorflächen CO2 in die Atmosphäre. Laut dem „Mooratlas 2023“, den die Heinrich-Böll-Stiftung mit dem BUND und der Greifswalder Succow Stiftung herausgibt, gehen rund vier Prozent aller menschgemachten Emissionen auf die Entwässerung von Moorflächen zurück. In Deutschland könnten durch die Wiedervernässung trockengelegter Moore theoretisch 35 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente im Jahr eingespart werden.

    4%

    aller menschengemachten CO2-Emissionen stammen aus der Trockenlegung von Mooren

    Nur: Moor ist nicht gleich Moor. In Deutschland gibt es Hoch- und Niedermoore im moorreichen Nordwesten, während im Nordosten Küstenüberflutungs- und Durchströmungsmoore zu finden sind. Zumeist kleine Hochmoore liegen in den Mittelgebirgen, Hoch- und Niedermoore auch im Alpenvorland.

    Zum Teil haben sich neue Biotope auf trockenen Moorböden gebildet, die unberührt bleiben sollten. Nicht nur hat jedes Moor andere Gegebenheiten, die für eine erfolgreiche Wiedervernässung bedacht werden müssen. Viele einstige Moorlandschaften sind überdies durch Ortschaften, Landwirtschaft oder Infrastruktur unterbrochen. Je kleiner die Fläche, desto schwieriger die Renaturierung und Ansiedlung der für Moore typischen Tier- und Pflanzenarten.

    Viele Landwirte wollen ihre Flächen nicht aufgeben. Ihnen fehlt der Anreiz

    Auch im Grotmoor konnte nur ein Teil der Fläche wiedervernässt werden. Zwar würde das Land gern angrenzende Weiden und Wäldchen mitvernässen, aber diese gehören zum großen Teil Privatpersonen, die derzeit nicht verkaufen möchten – oder denen der Anreiz fehlt. In Berlin wird diskutiert, inwiefern Landwirte Klimapunkte sammeln, Austauschflächen oder finanzielle Entschädigungen für Moorflächen bekommen können.

    Das Grotmoor aus der Luft: Was für Laien bereits wie ein Naturidyll aussieht, muss sich erst noch zu einem echten Moor entwickeln.

    Das Grotmoor aus der Luft: Was für Laien bereits wie ein Naturidyll aussieht, muss sich erst noch zu einem echten Moor entwickeln.

    Für die Arbeiten im Grotmoor hat Schleswig-Holstein rund 400.000 Euro bereitgestellt. Insgesamt 13 Millionen Euro hat das Land bereits in den Schutz seiner Moore investiert. Der erste Schritt Richtung CO2-Langzeitspeicher klingt schnell gemacht: „Sobald den Böden Wasser zugeführt wird, stoppt der Zersetzungsprozess und es wird kein CO2 mehr freigesetzt“, sagt Ahrens. Aber ganz gleich, ob auf grünem Weideland oder in mit Birken und Gräsern bewachsenem Gelände: Den Wasserstand anzuheben, ist ein komplexes Unterfangen. Wie im Grotmoor muss eine Art Badewanne entstehen, in der Regenwasser aufgefangen und gehalten wird.

    Ist das Wasser zu niedrig, trocknet das Moor aus. Ist es zu hoch, wird Methan frei

    Doch der Klimawandel erschwert das. „Der ideale Wasserstand ist zehn Zentimeter unterhalb der Grasnarbe“, sagt Ahrens. „Damit hier aber im Sommer nicht alles austrocknet, stauen wir das Wasser derzeit höher als zehn Zentimeter über dem Boden an.“ Je trockener die Sommer und je weniger Ganzjahresniederschlag, desto geringer die Erfolgschancen. Deshalb haben Ahrens und sein Team um das Moorgebiet hohe Wälle gebaut, die auch Starkregen standhalten und mehr Wasser auffangen.

    Eine Dauerlösung ist das allerdings nicht: Wenn langfristig zu viel Wasser auf den Torfböden steht, tritt klimaschädliches Methan aus. Auch einige Amphibienarten mögen keine hohen Wasserstände. Diese kann Ahrens über mehrere Abläufe regulieren. Um die Gefahr einer Wellenbewegung des Wassers bei Unwetter zu umgehen, hat sein Team nicht ein großes Bassin, sondern mehrere von kleinen Dämmen eingerahmte Polder angelegt. „Es ist eine Gratwanderung zwischen zu viel und zu wenig Wasser“, sagt der Experte. Dank mehrerer Peilsender kann er die Wasserstände auch vom Büro aus kontrollieren.

    Anführungszeichen

    Wenn die Torfmoose wieder zu wachsen beginnen, haben wir es richtig gemacht

    Projektleiter Janis Ahrens

    Derzeit heißt es für Ahrens und sein Team abzuwarten. Sie hoffen, dass im Sommer bereits die ersten Moorfrösche einziehen und Kraniche im Grotmoor brüten. Ob die Transformation der Fläche zum CO2-Langzeitspeicher gelungen ist, sehen sie vielleicht im Herbst. „Wenn sich die Böden erholt haben und die Torfmoose wieder zu wachsen beginnen, haben wir es richtig gemacht“, sagt Ahrens. Denn dann wächst die Torfschicht Jahr für Jahr um einen Millimeter und bindet zusätzliches CO2.

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